Sonntag, 1. April 2018

Herr Schalupke wartet auf die Propellerkaninchen



Es war einer jener Märztage, an denen das Warten sich anfühlt wie Erwachen. Windstille. Zum ersten Mal seit langer Zeit wärmte die Sonne. Ob er auf sich warten ließe, fragten sich Herr Schalupke und sein Huhn. Saßen unter dem Baum auf dem Hügel und schauten Richtung Süden.
Warten auf den Frühling. Herr Schalupke hatte den Arm ums Huhn gelegt und zog es an sich heran.
"Na? Ob es noch lange dauert?"
"Poock!"
Blau. Blau war, was als Erstes von Süden her Einzug gehalten hatte. Himmelblau, das sich am Horizont vertiefte. Hier und da ein weißes Wölkchen. Dann kam das Grün. Zunächst kaum wahrnehmbar schlich es von Süden heran, lief, einmal losgelassen, über die Wälder, turnte durch Haselnuss und Birke, verschwendete sich über den Wiesen und erklomm knospend den Baum, unter dem Herr Schalupke und sein Huhn saßen. Abenddämmerung ...
"Heute werden sie wohl nicht kommen."
"Pock!"
"Bleiben wir noch ein wenig?"
"Pock!"
Schalupke zog eine Handvoll Weizenkörner aus der Hosentasche, streute sie ins Gras. Eifrig pickend lief sein Huhn um ihn herum. Die Sonne sank, die Welt ergraute, Herr Schalupke schaute nach Süden.
Der Mond stieg voll und rund über den Horizont. 
"Bald, Huhn, bald ist es so weit." 
"Tü." 
Die Nacht würde kalt werden. Herr Schalupke nahm sein Huhn unter den Arm und ging heim. Ins Haus mit Schlafbaum fürs Huhn. Dort flatterte das Huhn von Ast zu Ast bis ganz oben.
Und, als niemand genau hinsah, vielleicht nur du und ich, flatterte auch Herr Schalupke, ein Nachthemd an, hinauf zum Huhn, schlüpfte unter dessen Flügel und machte es sich gemütlich. Das Schlafzimmer des Huhns hat drei gläserne Wände und ein gläsernes Dach. Zum Sterne-Anschaun.
Herr Schalupke lag, die Arme hinterm Kopf verschränkt, auf dem Rücken des Huhns, betrachtete den sternenklaren Himmel. Wartete auf eine Ankunft. Noch war es nicht so weit. Mitternacht. Von Norden stieg ein Geräusch über den Horizont und erfüllte die Nacht. Fffju, fffju ... fffju.
Als ob zahllose Schwingen die Luft schnitten. Wäre da nicht ab und an ein leises Ding! oder ein sonores Dong! zu vernehmen gewesen, man hätte meinen können, dass Wildgänse gen Süden zögen. Im Mondschein blinkte hier und da Bronze auf: Glocken! Die waren auf ihrem Weg nach Rom.
Der folgende Tag bemühte sich um Sonnenschein. Der Winter hatte sich in die schattigen Stellen zurückgezogen und wartete auf den Anbruch Nacht. Stille lag über dem Land. In der Ferne hörte man einen Zimmermann arbeiten. Trieb lange Nägel in die Balken. Morgen würden sie kommen.
Am nächsten Tag, es war ein Samstag, trug Herr Schalupke sein Huhn wieder unter den Baum auf dem Hügel und sie setzten sich auf eine Decke. Schauten wieder nach Süden. Die Sonne hatte den Zenit durchschritten, als sie ein leises Geräusch vernahmen, das sich pft-ft-ft-ft-ft! näherte.
Es klang ein wenig wie winzige Helikopter, das Schnarren kleinster Libellenflügel ft-ft-ft-ft-ft - und, Wunder, auf den ersten Blick mutete es an, als ob sich von Süden her tausende taumelnder Löwenzahnschirmchen auf den Weg gemacht hätten, sich über das Land zu säen.
"Schau!"
"Pock?"
"Sie kommen!"
"Pock!"
Herr Schalupke nahm sein Huhn in den Arm. Dass es nicht auf dumme Gedanken käme und ja keinen Blödsinn machte mit dem, was sich da ft-ft-ft-ft-ft ankündigte und bald auf dem sonnenbeschienenen Hügel ankommen würde, auf dem er und sein Huhn saßen.
!!! FT-FT-FT-FT-FT !!! Was da aussah wie Löwenzahnschirmchen, hatte sich auf Armeslänge genähert und eines schwebte vor Herrn Schalupkes Nasenspitze. Das war kein Löwenzahnsame! Winzige Hasenohren schwirrten und propellerten, und unter jedem hing ein Fellsäckchen mit großen Augen.
Propellerkaninchen! "Herzlich willkommen!", flüsterte Herr Schalupke behutsam, besorgt, dass, spräche er zu laut, sein Atem das kleine Luftschiff vor seiner Nase ins Trudeln bringen könnte. Was nun geschah, macht staunen, ist ein kleines Wunder der Natur. Die Winzlinge landeten:
Plimm-plomm-pada-pluff! tupften sie zu Boden, kullerten durchs Gras und liefen ein paar rasche Tippelschrittchen, ehe sie zu stehen kamen. Klappten ihre Ohren ein. Dabei blieb immer eines der Ohren senkrecht stehen, das andere zeigte zu Boden. Der lange Flug hatte sie ausgezehrt.
Daher sah Herr Schalupke, kaum, dass die Winziglinge gelandet waren, sich flüchtig geputzt, Schnurrhaare und Ohren gerichtet hatten, wie ein jedes Propellerkaninchen in eine Krokusblüte schlüpfte und dort vom Pollen fraß: Pluff! wuchsen sie auf Hummelgröße, purzelten hinaus.
Liefen zur nächsten Blüte, fraßen diese ganz, wuchsen pluff! auf Spatzengröße, hoppelten von einer Krokusblüte zur nächsten, fraßen und fraßen und wuchsen pliff! ploff! pluff! zu einer Größe heran, wie man sie auch von Zwerghasen kennt. Frisch gestärkt machten sie sich ans Werk.
Nun saß Herr Schalupke nebst Huhn zwischen aberhunderten Propellerkaninchen und staunte nicht schlecht, als die aus der Bauchtasche einen Korb zogen, einen "Panier claque", der sich klack! entfaltete und auf ihren Rücken passte. Dann stoben sie in alle Himmelsrichtungen davon.

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