Mittwoch, 27. Dezember 2017

Ein Pflaumenbaum, eine Wolke und eine Torte

Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner&Gomez, Spiez, CH

Wer ein Mäuschen war, sah nun ein seltsam vertrautes Paar am Küchentisch sitzen und über eine Torte reden, die für eine Verlobung gedacht war und von der Liebe erzählen sollte. Nicht irgendeiner Liebe, sondern von der eines jungen Paares, das vor knapp zwei Tagen noch Milla gegenüber gesessen und von sich erzählt hatte. Milla hielt es nicht lange auf dem Stuhl. Während Tarik, einen Bleistift in der Hand, über ein Blatt Papier gebeugt dasaß, zuhörte und zu zeichnen schien, schritt sie die Küche ab und breitete ihre Zweifel aus. Wie verliebt doch die beiden auf sie gewirkt hatten. Dass sie sich erinnere, erzählte Milla, wie verliebt sie selbst gewesen war, als sie ihren späteren Mann kennengelernt und der ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. In den Augen der Verliebten hatte Milla Glück gesehen. Glück, das klar und undurchdringlich wie eine gläserne Murmel in sich eine große Liebe umschlossen hielt, auf immer. Umschlossen, wie auch die beiden einander umarmt hatten. Einander umfangen und die Welt ausgeschlossen hatten. ‚Gerade so, wie die Pflaume ihren Kern umschließt‘, ging es Milla durch den Sinn.

Tarik zeichnete. Milla zweifelte. Konnte eine Pflaume, konnte eine Torte verkörpern, ja, wachrufen, und das in anderen Menschen, was sie in den Augen der beiden jungen Menschen gesehen hatte? Was sie an ihre eigene trunkene Glückseligkeit erinnerte, von der sie sich in eine hoffnungsvoll beginnende Ehe hatte mitreißen lassen und die sie, nur ein paar wenige wehrlose Jahre später, an einen einsamem Strand gespült und liegen gelassen hatte.

„Und das mit Pflaumen!“, sank Milla auf einen der Küchenstühle. „Eine große Liebe, die wahre Liebe, Glück, Glückseligkeit.“

„Ungefähr so?“


Tarik hielt Milla eine Zeichnung hin. Sie erkannte einen Pflaumenbaum. ‚Wo um Himmels Willen hatte dieser kleine Junge so zu zeichnen gelernt?‘, fragte Milla sich im Stillen. Unter dem Pflaumenbaum erkannte sie ein Paar, das sich innig umschlungen hielt. Über der Szene stand eine kleine Wolke am Himmel.

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