Mittwoch, 29. November 2017

Auf der Suche

Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner&Gomez, Spiez, CH

Der Montag begrüßte Milla mit mildem Sonnenschein. Die Morgen waren um diese Zeit bereits kühl und die Straßen des Dorfs atmeten um diese frühe Stunde noch den Nebel, der in der Nacht vom See her aufgestiegen war und das Pflaster benetzte.

Es dauerte nicht lang, da hatte Milla die Unterkünfte erreicht, die man vor dem Dorf errichtet hatte. In fünf Wohncontainern waren sieben Familien untergebracht worden, die dem Dorf über die verwaltende Stadt zugeteilt worden waren. Proteste gegen diese Maßnahme waren nicht ausgeblieben, doch war unklar, ob diese den Fremden galten oder der Verwaltung der nahe gelegenen Stadt, deren scheinbarer Willkür die Dörfler sich nicht zum ersten Mal unterworfen fühlten. Maßnahme und Menschen wurden jedoch gleichermaßen abgelehnt und offensichtlich ignoriert. Man wich aus. Auf die andere Straßenseite, auf ein anderes Thema. Überließ die Fremden den Sozialarbeitern der Stadt, den Streifenpolizisten. Dem Wachdienst, der nach schockierend menschenverachtenden Ereignissen andernorts auch für diese vergleichsweise kleine Ansammlung so etwas wie Sicherheit gewährleisten sollte.

Ein paar Kinder spielten auf dem festgefahrenen Sand des Vorplatzes der Container im Staub. Milla hielt inne und betrachtete sie aus der Ferne. Jedes von ihnen ähnelte Tarik in Erscheinung und Auftreten, doch ihn selbst konnte Milla nicht ausmachen.

„Kann ich Ihnen helfen?“

Ein Mann war, ohne dass sie das bemerkt hatte, an sie herangetreten. Milla wich zurück.
„Kann ich Ihnen helfen?“

Milla fasste sich ein Herz: „Kennen Sie sich hier aus?“

„Ich betreue Flüchtlinge, auch die hier untergebrachten. Zu Beginn kamen oft Leute aus dem Dorf her und gafften.“

„Da können Sie mir in der Tat weiterhelfen. Cremeso mein Name, ich spendete unlängst ein Blech Pflaumenkuchen, Altkleider und Spielsachen. Ich suche nach einem ungefähr sieben Jahre alten Jungen, Tarik, der mich in meiner Konditorei besuchte …“

„Hat er ‘was ausgefressen?“

„Nein, um Himmels Willen, alles ist in Ordnung, ich …“

„Wie war sein Name?“

„Tarik.“

„Tut mir leid, da muss ich passen.“ Der Mann zuckte mit den Achseln: „Hier gibt es keinen Jungen, der Tarik heißt.“

„Sie sind sich sicher? Ungefähr so groß“, Milla deutete es an, “lockiges Haar, schwarze Augen und …"

„Diese Beschreibung passt auf viele der Flüchtlingskinder“, fiel der Mann ihr ins Wort, „doch ich kenne alle bei Namen, die in diesen Unterkünften hier hausen.“

„Und?“


„Ein Tarik ist nicht dabei.“

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