Freitag, 6. Januar 2017

Über weiße Elefanten im Porzellan



Was braucht man einen Elefanten in einer Porzellankiste, wenn deren Mutter, die Vorsicht, mit einer Sturzgeburt niederkam? Nun, man könnte ihm ein Tutu anlegen und ihn mittig positionieren, unauffällig, als Sympathie- und Leistungsträger zugleich. Und, wozu sonst ein Tutu, wenn nicht um seinen Träger als Träger von Ausdruck, ja, da wer A sagt, muss auch B … Bedeutung auszuzeichnen. Schließlich sind Elefanten, domestizierte jedenfalls, Lasttiere, reißen Bäume aus und was sonst noch, und das, also der Umstand, dass sie was reißen, macht sie so beliebt, macht sie beeindruckend. Nicht ihre massige Gestalt, nicht ihr Vermögen, im Innern einer Porzellankiste mittig und unauffällig zugleich anwesend sein zu können, beeindruckt uns, nein, sie reißen was, ja, nahezu alles, sieht man den Bäumen an, und, so nebenbei, lässt sich vorzüglich auf ihnen reiten.

Selbst durch einen Porzellanladen, auch wenn einschlägige Redewendungen Gegenteiliges glauben machen möchten, denn, wer in einer Kiste voller Porzellan klarkommt, wird sich in einem im Vergleich dazu weiträumigen Laden mit elfengleicher Grazie bewegen, der auf ihm Reitende selbstredend eingeschlossen. Porzellanläden, das sind zumeist über große Schaufenster lichtgeflutete Räume, in denen sorgsam arrangiertes Porzellan zur Schau und zum Erwerb angeboten wird. Porzellan, das Porzellankisten entnommen wurde. Kisten, in denen sich mitunter auch besagte Elefanten befanden, die, selbstredend ebenso unauffällig wie mittig ihren Kisten entstiegen, im Porzellanladen nun ebenfalls bemüht sind, sich etwas reißend und als Träger von Bedeutung ihrer Exposition und den damit verbundenen Aufgaben zu widmen, ohne dass man sie als Elefanten im Tutu ausmacht. Daran nämlich scheitert alles Mühen besagter Elefanten um Unauffälligkeit: Dass irgendwer sie anlässlich ihres Aufenthalts im Porzellanladen bemerkt, als Elefanten ausmacht und am Tutu zupft.

Elefanten sind schreckhafte Tiere. Sie mögen nicht, wenn man sie aufscheucht. Erst recht nicht, am Tutu gezupft zu werden. Merkwürdig ist, dass der Elefant an sich weniger zur Dekompensation neigt als der Elefant in Gesellschaft. Nehmen wir an, dass es ungefähr zwanzig Porzellankisten braucht, um einen kleinen Porzellanladen zu bestücken, eher vierzig. So steigt mit jeder Kiste die Wahrscheinlichkeit, dass sich in einer ein Elefant befindet, mit jeder weiteren Kiste könnte ein zweiter Elefant hinzukommen, schlimmstenfalls ein dritter. Sie entsteigen den Porzellankisten, deren Mutter diese bis dahin vor dem Schlimmsten bewahrten, manche Mütter kamen gar erst im Laden nieder, und, ist mehr als einer angekommen, nimmt das Unglück seinen Lauf: Nimmt ein Elefant die Witterung eines anderen auf, hebt er zunächst suchend seinen Rüssel. Dann grüßt er den Artgenossen, indem er laut und vernehmlich auf sich aufmerksam macht. Dies bleibt nicht lange unerwidert. Schon stürmen die beiden durch den Porzellanladen aufeinander zu, springen einander freudig erkennend kreuz und quer, fechten kurz aber entschlossen die Rangordnung aus und schließen sich zu einer Herde zusammen. Das hat bislang noch kein Porzellanladen unbeschadet überstanden.

Es gibt zweierlei Vorkehrungen gegen Elefanten in Porzellanläden: Zunächst trage jeder, der einen Porzellanladen einrichtet, lieber keine Kiste mit einem Elefanten darin über die Schwelle. Es sei denn, es handelt sich bei den Porzellankisten um die eingangs erwähnten Sturzgeburten. Denn sollte ein Elefant darin sein, kann man den beim Öffnen sofort zwischen den Scherben ausmachen, Sorge tragen, dass er im Inneren des Ladens keinem Artgenossen begegnet, und ihn nach Belieben etwas reißen lassen. Diese Maßnahme ist so einleuchtend wie sinnlos, denn wer einen Porzellanladen einrichten will, braucht Porzellan, nicht Scherben. Und so kommen wir auf die einzig wirkliche Maßnahme gegen in der Einrichtung eskalierende Elefanten: Das Tutu! Ja! Denn trägt ein Elefant ein Tutu, geht eine seltsame Wandlung mit ihm vor. Zunächst fühlt er sich als Ballerina, durchgeistigt und erstarrt in würdevoller und kunstbeflissener Pose – der Grund, aus dem Elefanten in Porzellankisten unsichtbar sind und es auch im Porzellanladen bleiben. Solange, ja, solange niemand am Tutu zupft, denn das nimmt ihnen allen Zauber und bringt den wahren Elefanten in ihnen zum Vorschein.


Also lautet der abschließende Rat an alle, in deren Porzellanläden Elefanten leben, dass sie verhindern müssen, dass irgendwer ihren Elefanten an die Wäsche geht.

Ludwig Janssen © 15.1.2012

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